
Titelbild: Jaguar Vision Gran Tourismo SV, Bildquelle: Jaguar Deutschland
Primär gehört mein Interesse natürlich dem Jaguar X308 und anderen Jaguar-Modellen der 80er und 90er Jahre. Ich kann auch nicht sagen, dass mich die Jaguar-Fahrzeuge der vergangenen 20 Jahre fasziniert hätten. Die neue Produktstrategie von Jaguar Land Rover (JLR) fällt nun aber so radikal anders aus, dass ich ihr einen kurzen Bericht widmen möchte.
Ich versuche also hier zusammenzufassen, was in den vergangenen 12 Monaten über die neue Strategie bekannt wurde, und versuche, mich dabei auf nüchterne Fakten zu beschränken.
Grundsätzlich besteht die neue Produktstrategie aus zwei Eckpunkten:
- Erstens sollen alle zukünftigen Marken von Jaguar Land Rover deutlich höherpreisiger und luxuriöser als heute positioniert werden.
- Zweitens wird das Jaguar-Produktportfolio radikal neu erfunden und ab 2025 auf vollelektrische Antriebe fokussiert (Link zur Quelle). Bei Land Rover lässt man sich mit diesem Kurswechsel länger Zeit: Hier ist davon die Rede, dass man (parallel zu vollelektrischen Modellen) noch bis 2039 Verbrenner produzieren könnte (Link zur Quelle).
Am Rande: Die preisliche Höherpositionierung ist beim Range Rover bereits heute in vollem Gang. Ich habe mir gerade mein Wunschfahrzeug konfiguriert und über das Ergebnis nicht schlecht gestaunt. Listenpreis im Konfigurator: 312.379 Euro! 😳

Ein Range Rover war noch nie ein billiges Auto, aber das ist eine neue Qualität. Man entwickelt sich heraus aus einer Wettbewerbsarena mit Mercedes und BMW und geht (gemeinsam mit Porsche übrigens) in Richtung des Preisniveaus von Bentley, Rolls-Royce und Ferrari. Eine vergleichbare Entwicklung wird uns auch bei den neuen Jaguar-Modellen erwarten. Während der durchschnittliche Preis für Jaguar-Modelle derzeit bei 60.000 Euro liegt (am Beispiel Deutschland), wird er laut Jaguar mit den neuen Modellen „auf mindestens 150.000 Euro“ ansteigen (Link zur Quelle) – fast das Dreifache!
Damit kommen wir zur Überschrift dieses Beitrags: Die Umsetzung dieser Strategie könnte kaum radikaler ausfallen, da mit ihr die konsequente Auflösung der Jaguar-Modellpalette einhergeht. Die Produktion des Jaguar XJ wurde bereits am 5. Juli 2019 eingestellt. Die Historie dieses Modells, die immerhin schon 1968 begann, endete nach 51 Jahren.

Die Modelle XE, XF, F-Type, E-Pace und I-Pace werden ebenfalls nicht weiter produziert: Die Produktion von XE, XF und F-Type endete bereits im Mai 2024 (auch wenn sie derzeit noch verkauft werden), E-Pace und I-Pace werden nur noch bis Dezember 2024 produziert (Link zur Quelle).

Zukünftig wird es bei Jaguar noch drei Produktlinien geben, die auf einer Plattform basieren – der neuen JEA (Jaguar Electrial Platform). Der erste, neue Jaguar wird eine viertürige GT-Limousine von über 5 Metern Länge sein, die noch 2025 vorgestellt werden soll (Link zur Quelle). Der Einstiegspreis soll bei rund 150.000 Euro liegen. (Am Rande: Auffällig finde ich, dass das Modell zwar schon im kommenden Jahr zu kaufen sein soll, aber bis heute von Jaguar selbst offenbar noch keinerlei Skizzen oder Studien veröffentlicht wurden…)
Und auch bei Land Rover wird sich vieles verändern: Land Rover wird es als Fahrzeugmarke nicht mehr geben (Link zur Quelle). Im Gegenzug werden die Marken Discovery und Defender als eigenständige Modelle neben dem Range Rover positioniert, wobei sich die Pläne hier noch recht vage lesen.
Auch unter der Fahrzeugmarke Freelander werden zukünftig eigenständige Elektro-SUV angeboten, die allerdings in China durch den Hersteller Chery auf Basis von dessen Plattform gebaut werden (Link zur Quelle). Wer sich über diese Kooperation wundert: Sie reicht bereits einige Jahre zurück, da Chery schon heute den Range Rover Evoque für den chinesischen Markt baut.

Mein Fazit?
Ich wünsche der Marke Jaguar eine erfolgreiche Zukunft mit eigenständigen und besonderen Fahrzeugen, ganz in der Tradition ihres Gründes Sir William Lyons. Dieser Anspruch ist im heutigen Marktumfeld sicher nicht einfach umzusetzen. Wir erleben ja, wie schwer sich die großen deutschen Hersteller tun, ihre Premiumposition global zu verteidigen.
Das Management von Jaguar geht in dieser Situation offenbar den Weg „Alles oder Nichts“. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Hersteller schonmal so radikal umgebaut worden wäre. Chance und Risiko im oberen Grenzbereich, könnte man also sagen. Hoffen wir, dass das Vorhaben gelingt, und dass Jaguar nicht wie MG als Badge auf einem asiatischen Massenauto landet.
Auch mit Blick auf das neue Preisniveau erleben wir in meiner Wahrnehmung aktuell den Wandel von ehemals technisch besonders überzeugenden Fahrzeugen hin zu heute besonders geschickt inszenierten Fahrzeugen, um damit einen Range Rover für über 300.000 Euro anbieten zu können. Ich bin skeptisch, ob das nachhaltig trägt – Qualität bleibt, aber Lifestyle-Accessoires kommen und gehen…
Last not least: Es stimmt mich wehmütig, dass die Tradition der legendären Jaguar XJ-Limousinen nach über 50 Jahren ein Ende gefunden hat. Ich glaube, die historische Positionierung dieses Modells hätte man noch erfolgreich neuerfinden können…
Wie ist Eure Sichtweise zur Neuerfindung von Jaguar Land Rover? Ich freue mich wie gehabt über Kommentare unter dem Beitrag!
Vielen Dank für die informative Zusammenfassung. Ich finde die Entscheidung zu dieser radikalen Veränderung nicht richtig. Schon seit Jahren beobachte ich, dass Jaguar in die Weiterentwicklung der Modelle wenig investiert hat. Der F-Pace ist gelungen, aber wie hat man diese Modellreihe fit gemacht für das nächste Jahrzehnt? Gar nicht! Den F-Type fand ich ebenfalls sehr gelungen, auch hier verstehe ich die Entwicklung nicht. Es sgellt sich zudem die Frage, ob der Elektroantrieb vor dem Hintergrund der gesamtheitlichen Emissionsbetrachtung inkl. Herstellung wirklich eine Zukunft hat. Viele Hersteller fahren hier eher zweigleisig. Man hat das Gefühl, dass ab Ian Callums fulminanten Designwechsel nicht mehr viel passiert ist und man sich seitens Tata komplett auf Land Rover fokussiert hat. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann ich mir auch nicht vorstellen, wie ein Unternehmen über ein Jahr keine Autos mehr produziert und trotzdem die Fixkosten bezahlen muss. Und wie das dünne Händlernetz überleben soll? Werden die von Land Rover quersubventioniert? Als X 308 Fahrer kann es fast egal sein, denn es ist ja genau dieses Modell, dass uns so am Herzen liegt. Und die Wartung ist meines Erachtens schon lange bei Spezialisten besser als bei Jaguar selbst. Wenn ich richtig recherchiert habe, ist der X 308 das letzte Modell, das noch an der Browns Lane produziert wurde. Auch damals gab es einen radikalen Wechsel, als man das komplette Firmengelände zugunsten einer Neubausiedlung abgerissen hat. Insofern könnte man an dieser Stelle tatsächlich einen Hang des Unternehmens zu radikalen Veränderungen als „kleine Tradition“ festhalten😉. Auf jeden Fall bleibt es spannend und ich würde mich gerne in 2025 von einem tollen XJ in einem klassischen Design überraschen lassen.
Ich befürchte , dass es der Marke Jaguar über kurz oder lang genau so ergehen wird wie der Marke Lancia .
Hallo , hier der letzte produzierte XJ aus dem Werk an der Browns Lane .
https://prestigeandperformancecar.com/jaguar/browns-lane-history-1951-2005/
Ist hier jemandem bekannt, wie es dazu kam, dass ein X350 noch so spät in der Brown´s Lane gebaut wurde? Meines Wissens nach sind nur sehr frühe X350 dort gebaut worden, bevor die Produktion dieses Autos gänzlich nach Castle Bromwich verlegt wurde. Hat jemand hier einen X350 mit einem „N“ an der 11. Stelle der VIN ?
Ich hab´s mir gerade selbst beantworten können:
https://www.jaguarheritage.com/vehicle-collection/2005-jaguar-super-v8-portfolio-saloon/
Es gibt Design-Ikonen: Porsche 911 oder auch eine Rolex Submariner. Porsche gelingt es immer wieder den 911 neu zu interpretieren, ohne die Wurzeln des Fahrzeuges abzutrennen. Noch heute ist die Verwandtschaft zum 356 oder auch zum VW Käfer zu sehen. Ähnlich Rolex: Die Rolex Submariner hat sich in den letzten Dekaden immer wieder ein wenig verändert, jedoch ist die Ahnenlinie zu der im Jahr 1954 erschienenen Rolex Submariner auch heute noch zu erkennen. Möglicherweise sind die Verkaufserfolge dieser Unternehmen damit zu erklären, dass ein echter Bruch mit dem alten Design nie exekutiert wurde. Sir William Lyons sollte mit seinem Team in Jahr 1968 eine Design-Ikone schaffen, den Jaguar XJ. Ein Augenschmeichler! Eine noch nie dagewesene Formensprache in der Automobilbranche! Ein Wiedererkennungswert! Diese Fakten nicht anzuerkennen lässt nur einen Schluss zu: Missmanagement in Reinkultur im Hause Jaguar! Von der Design-Ikone zur Design-Beliebigkeit. Es ist entsetzlich! Vielleicht muss ich doch noch 911 fahren, was ich nie wollte.