„Wie sehr liegen mir die Szenen meiner Kindheit am Herzen, wenn ich sie in der Erinnerung vor Augen habe.“ Dieses Zitat wird dem Autor Samuel Woodworth zugeschrieben. Es schließt bei Auto-Liebhabern sicher auch die Autos der Kindheit ein. Als ich vor einigen Wochen ein Fotoalbum meiner Eltern in den Händen hielt, war damit eine Zeitreise durch die Familienautos meiner Kindheit verbunden…
1. VW Passat TS (1975)
In meinem Geburtsjahr 1978 fuhr mein Vater einen VW Passat, meine Mutter einen VW 1303. Dieser VW Passat gehörte zur Baureihe B1 und war die erste Generation des VW Passat überhaupt. Sie entstand 1973 als Derivat vom damaligen Audi 80. Deswegen war der Passat B1 auch nahezu baugleich mit dem Audi 80. Er unterschied sich in technischer Hinsicht lediglich durch eine geänderte Heckpartie und eine umkonstruierte Hinterachse.
Unser Passat in der Farbe ancona-metallic war ein Modell in der Top-Ausstattung TS, zu erkennen an den Scheinwerfern. In der Basis-Ausstattung hatte der Passat einzelne Rundscheinwerfer, als L und als LS eckige Breitbandscheinwerfer und als TS die Doppelscheinwerfer. Im Innenraum gab es beim TS auch ein Dreispeichen-Sportlenkrad und eine Mittelkonsole mit drei Zusatzinstrumenten.
Die Rechnung aus dem Jahr 1975 zeigt, dass unser Passat TS für damalige Verhältnisse sehr großzügig ausgestattet war. So hatte er ein Automatikgetriebe, und sogar ein Stahlkurbeldach für über 500 DM war an Bord.
Nach meiner Geburt im Frühjahr 1978 konnte ich diesen Passat aber nur wenige Monate erleben. Im Januar 1979 stand ein neues, viertüriges Familienauto an.
2. Audi 100 CD 5E (1978)
Nach meiner Geburt machte mein Vater sich auf die Suche nach einem viertürigen Familienauto. Nach mehreren VW-Modellen blieb seinem Händler treu, wechselte aber zur Konzernschwester Audi. Er kaufte im Januar 1979 einen Audi 100 CD 5E direkt aus dem Ausstellungsraum des Händlers.
Der Audi 100 CD 5E war zu diesem Zeitpunkt übrigens das Topmodell der Marke Audi. Einen Audi 200 gab es noch nicht. Die Ausstattungslinie CD war die hochwertigste und umfasste Annehmlichkeiten wie Servolenkung, Zentralverriegelung und vier elektrische Fensterheber.
Motorseitig gab es im Audi 100 CD drei Fünfzylinder zur Auswahl: Einen Diesel mit 70 PS, den Vergaser mit 115 PS und an der Spitze den Einspritzmotor 5E mit stolzen 136 PS!
Der Innenraum des Audi 100 CD 5E strahlte (insbesondere für ein Modell des VAG-Konzerns in den 70ern) relativ viel Luxus aus. So gab es eine Holzvertäfelung und Sitzbezüge in edlem „Crushed Velours“.
Wer noch mehr über den 1979er Audi 100 CD 5E wissen möchte, findet hier die damalige Original-Broschüre des Audi 100 CD als PDF-Datei zum Download.
Mein Vater hat immer wieder mal erwähnt, dass er in dieser Zeit regelrecht begeistert war von seinem Audi 100 CD 5E. Das Auto war fortschrittlich, luxuriös und relativ leistungsstark. Leider war dem Audi 100 kein langes Leben in unserer Familie vergönnt. Im Januar 1981 überquerte mein Vater auf dem Weg zur Arbeit eine Landstraßenkreuzung, als ihn von rechts ein Auto traf, dass eine rote Ampel übersehen hatte.
Meinem Vater trug damals nur einige Schnittwunden davon, die ihm als Narbe in der Wange erhalten blieb. Glücklicherweise erfolgte der Aufprall von rechts und mein Vater saß alleine im Auto.
Der Audi 100 war nun also ein Totalschaden, ein Ersatz für unser Familienauto musste her.
3. Audi 200 5E (1981)
Mein Vater blieb erneut seinem Händler treu, der nun der zwischenzeitlich entstandenen Vertriebsplattform VAG angehörte.
In der Modellpalette von Audi hatte sich in den zwei Jahren etwas getan: Im September 1979 hatte Audi auf der IAA sein neues Flagschiff Audi 200 (Baureihe C2) präsentiert. Mein Vater war begeistert von diesem neuen Auto und bestellte einen Audi 200 nach seinen Wünschen.
Mein Vater entschied sich für den Audi 200 5E Automatik, der wiederum über den 136 PS starken Fünfzylinder verfügte. (Es gab im Audi 200 nun auch noch den 5T mit Turboaufladung, der dann 170 PS leistete.)
Die Neuwagenbestellung offenbart aus meiner Sicht durchaus stolze Preise für den Audi. Ein Audi 200 5E Automatik hatte einen Grundpreis von 31.050 DM. Er lag damit auf Augenhöhe mit dem Mercedes 250 der Baureihe W123, der als Sechszylinder mit 140 PS und Automatik einen Grundpreis von rund 30.500 DM hatte. Der Audi 200 war aber wohl das moderne, progressivere Auto.
Mit unserem Audi 200 in onyxmetallic und Caré-Velours Schilf haben wir damals viele Ausflüge und Urlaubsfahrten unternommen. Es ist auch das erste Familienauto, an das ich eigene Erinnerungen habe.
Aber auch die Freude am Audi 200 wurde schnell getrübt. Nach 30.000 Kilometern und zwei Jahren kam es zu einem Getriebeschaden, der ein neues Automatikgetriebe erforderlich machte. Da die einjährige Gewährleistung abgelaufen war, beteiligte sich VW an den Austauschkosten nur zu einem kleinen Teil. Ein gutes halbes Jahr später musste die Servolenkung komplett getauscht werden, die Kosten sollte mein Vater tragen. Er wand sich daraufhin mit einem Schreiben mit Bitte um Kostenbeteiligung an den VW-Vorstand. Der reagierte in seinem Antwortschreiben jedoch sehr zurückhaltend, eine Kostenbeteiligung wurde nicht zugesagt:
Ich erinnere mich noch an Erzählungen meines Vaters, wie enttäuscht er damals war. Wenig später gab er seinen Audi 200 bei Mercedes in Zahlung. Einen Audi – die Marke, von der er einmal so begeistert war – ist er zeitlebens nicht mehr gefahren.
Ach wie schön ! Da wird sich fast jeder Deiner Leser wiederfinden. Und einen ganz besonderen Charme hat die offenbar glänzend funktionierende Buchhaltung Deiner Familie. Es gibt nicht nur Bilder, sondern auch die Bestellungen, das ist sagenhaft. Ich erinnere mich noch gut daran, als mein Vater (unterdessen im 84. Lebensjahr mit einer E-Klasse unterwegs) in den 80ern einen Golf 2 bestellte. Der hatte, anders als bestellt, einen rechten Außenspiegel. Als mein Vater das reklamierte, bekam er den Spiegel vom Autohaus geschenkt.