Rückblende in die 90er Jahre: Wer damals ein großzügiges Budget für eine neue Luxuslimousine ausgeben konnte, hatte die Qual der Wahl. Anders als heute (wo Luxuslimousinen einander technisch immer ähnlicher geworden sind) gab es damals noch echte Grundsatzentscheidungen: Größe oder Design? High-Tech oder Klassik? Deutsches Engineering oder britisches Understatement?
Das beste Beispiel für diese Qual der Wahl dürfte wohl die Entscheidung zwischen einer Mercedes S-Klasse der Baureihe W140 und dem Jaguar XJ8 der Baureihe X308 gewesen sein. In den Jahren 1997 und 1998 waren diese beiden Fahrzeuge tatsächlich Wettbewerber in derselben Preis- und Fahrzeugklasse, auch wenn die Konzepte sehr unterschiedlich waren.
Die Fahrzeugmodelle in diesem Bericht repräsentieren die maximale Ausbaustufe der damaligen Zeit: Einerseits ein S600 L (Baujahr 1994), andererseits ein Daimler V8 L (Baujahr 2000).
Der Vollständigkeit halber: Ja, die Baujahre passen nicht exakt übereinander. Und stimmt, aus Leistungssicht wäre ein Daimler Super V8 erforderlich, um beim S600 mithalten zu können. Beides steht aber einem Vergleich der beiden Fahrzeugkonzepte nicht im Wege.
Nähern wir uns also den Unterschieden: Am offensichtlichsten ist wohl der schiere Größenunterschied. Wer aber nun primär an die Fahrzeuglänge denkt, liegt überraschenderweise falsch. Tatsächlich sind beide in etwa gleich lang (5,21m beim S600 L vs. 5,16m beim Daimler V8 LWB). Der W140 ist mit langem Radstand gerade mal 5 cm länger, keine nennenswerte Differenz bei deutlich über 5 Metern.
Aber werfen wir mal einen Blick auf Breite und Höhe: Der Mercedes ist beeindruckende 9 cm breiter als der Jaguar, und (noch beeindruckender) 15 cm höher als der Jaguar. Das ist eine Höhendifferenz von mehr als 10%, und man sieht das sofort.
Es ist damit keine Überraschung, dass die Differenz in Breite und Höhe auch im Innenraum omnipräsent ist. Erster Eindruck: Im Mercedes sitzt man wie in einer luftigen Kathedrale, im Jaguar eher wie in einem gemütlichen Clubsessel.
Die unterschiedlichen Raumverhältnisse fallen naturgemäß beim direkten Umstieg am deutlichsten auf: Nach dem Wechsel vom Steuer des Jaguars an das des Mercedes fiel meine Hand beim Griff zum Automatikwählhebel drei Mal spürbar ins Leere. Mein Gehirn war noch an die deutlich kürzeren Abstände im Jaguar gewöhnt!
Die Platzverhältnisse setzen sich im Fond der beiden Luxuslimousinen fort. Beide haben natürlich aufgrund ihrer großen Radstände mehr als genug Raum für die Beine der Fondpassagiere. Auch die Rücksitze sind bei beiden äußerst bequem und mit elektrischer Sitzverstellung, Sitzheizung und Lendenwirbelstütze auch aus heutiger Sicht noch sehr komfortabel ausgerüstet. Große Unterschiede finden sich dann aber doch noch in der Kopffreiheit.
Noch ein Fun Fact zur Fahrzeuglänge: Während Mercedes für die Langversion einfach nur 10 cm zum Radstand hinzufügt, verlängert Jaguar die Basislimousine um 12,5 cm und erhöht auch das Dach bei der Langversion um 1,9 cm. Das zeigt, dass Jaguar einen deutlich größeren Aufwand auf sich nehmen musste, um aus dem „Standard-XJ“ eine halbwegs konkurrenzfähige Chaffeurslimousine werden zu lassen.
Wenn es um die Aggregate im Motorraum geht, finden sich ebenfalls markante Unterschiede. Mercedes entschied sich damals, das volle Spektrum an Motorkonzepten anzubieten, vom Sechszylinder mit 2,8 und 3,2 Litern über die beiden V8-Motoren mit 4,2 und 5,0 Liter bis hin zum 6-Liter-V12. Wenn man dann noch den Diesel ins Kalkül zieht, bot sich dem Kunden ein eng gestaffeltes Spektrum von 150 PS bis 394 PS.
Jaguar hatte hingegen „nur“ den neuen V8-Motor in drei Varianten von 238 PS (3,2 Liter) über 284 PS (4,0 Liter) bis 363 PS (4,0 Liter-Kompressor). Es ist ein bisschen wie die Ironie des Schicksals, dass Jaguar über Jahrzehnte die einzige Zwölfzylinder-Luxuslimousine der Welt im Angebot hatte, und diese mehr oder minder in dem Moment einstellt, wo BMW und Mercedes einen V12 ins Angebot aufnehmen…
Wer im Jahr 1997 auf der Suche nach dem ultimativen High-Tech-Antrieb war, kam am V12 von Mercedes nicht vorbei. Hubraum und Leistung suchten in dieser Klasse damals ihresgleichen. Nichtsdestotrotz war der Jaguar-V8 aber eine moderne, attraktive Alternative. Mit Kompressor-Aufladung fehlten einem Daimler Super V8 auch „nur noch“ 31 PS zum S600. Die Fahrleistungen im Katalog waren ebenfalls auf Augenhöhe, mit knapp unter 6 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und abgeriegelten 250 km/h Spitze.
Eine weitere Gemeinsamkeiten soll zum Schluss nicht unerwähnt bleiben: Ein Schnäppchen waren sie beide nicht. Ein S600L lag Ende der 1990er Jahre bei rund 210.000 DM, ein Daimler Super V8 bei 175.000 DM. Mercedes ließ sich das Plus in Technik und Raum also mit einem Aufpreis von rund 20% durchaus bezahlen. Trotzdem dürften die 35.000 DM Unterschied schon damals nicht den entscheidenden Ausschlag gegeben hatte – den Daimler Super V8 kaufte man sicher nicht, weil der S600 zu teuer war.
Nach unserer ausgiebigen Testfahrt bleibt die triviale Frage: Welcher ist besser? Die Antwort auf diese Frage fällt eindeutig und ebenso trivial aus: Kommt drauf an.
Wer das Maximum an Reisekomfort, Technik, Raum und Leistung suchte, landete unweigerlich beim W140. Wer hingegen eine Mischung aus Komfort und Leistung verbunden mit klassischem Design und dem Touch des Exklusiven wollte, kaufte vielleicht doch den Jaguar.
Ein Blick auf die damaligen Produktionszahlen offenbart, was die Käufer schätzten: Mercedes produzierte 406.000 Limousinen der Baureihe W140 in ungefähr 7 Jahren und kommt damit auf ca. 58.000 Fahrzeuge pro Jahr. Jaguar hingegen produzierte 126.000 X308 Limousinen in 6 Jahren, mithin also ca. 21.000 Fahrzeuge pro Jahr.
Mit anderen Worten, weltweit fiel die Entscheidung drei Mal so häufig für einen W140 aus wie für einen X308. Ein vernichtendes Urteil für den Jaguar? Keinesfalls, schließlich war seine Exklusivität doch in vielen Fällen gerade kaufentscheidend!
Ein sehr interessanter Artikel über zwei Traumfahrzeuge. Ich stelle mir allerdings die Frage, warum haben Sie nicht den Double Six der Baureihe x300 (optional auch der Double Six der Serie 3, auch wenn dieser in seinem letzten Baujahr bereits ein Oldtimer war) berücksichtigt, dann wäre es ein Duell auf Augenhöhe gewesen. Der Zwölfzylinder-Jaguar läuft samtweich und ist hinsichtlich der Laufkultur nicht zu toppen. Dies gilt insbesondere für den Vorgänger der Baureihe XJ Serie 3. Der Double Six der Baureihe X 300 hat mehr Dampf als das Vorgängermodell (größerer Motor, ZF-Getriebe). Dafür läuft der 12 er der Serie 3 noch geschmeidiger und hat zudem das bessere (Sänften-) Fahrwerk und eine noch stilvollere Innenausstattung (leider nur nicht die schönen Picnic-Tables). Für mich ist der Zwölfzylinder von Jaguar die absolute Krönung! Ich bin seit 30 Jahren Jaguar-Freak und halte meinem Zwölfzylinder immer noch die Treue!
Meine vorherigen Ausführungen bezogen sich konkret auf den x 305. Das 4 Gang-Getriebe war von GM. Das Modell der aus der XJ Baureihe der Serie 3 hat noch ein 3 Gang-Getriebe.