Zur Ergänzung meiner Urlaubslektüre greife ich gerne auf mein auto motor und sport-Archiv mit Ausgaben der 80er und 90er Jahre zurück. Ich suche mir vor der Fahrt in den Urlaub mehr oder weniger zufällig ein paar Zeitschriften heraus und deponiere sie im Koffer. Manche Ausgaben sind im Rückblick natürlich interessanter als andere. Die aktuell im Urlaub (in Südtirol) vor mir liegende Ausgabe vom 31.05.1991 ist eine besonders faszinierende Zeitreise und zeigt, was sich in gut 30 Jahren alles getan hat…
Was gab es Neues im Jahr 1991? Der VW Golf III stand vor der Tür, das Audi Cabriolét wurde erstmalig einem Test unterzogen, und BMW 735i sowie Jaguar XJ6 müssen sich gegen den brandneuen Mercedes 300 SE der Baureihe W140 bewähren. So viele automobile Großereignisse in einer Ausgabe von auto motor und sport!
Gehen wir meine Highlights der Reihe nach durch. Das Audi Cabriolét war 1991 brandneu und bildschön. Zitat aus dem Artikel: „Mit formaler Eleganz und technischer Perfektion im Detail setzt Audi neue Maßstäbe bei den viersitzigen Cabrios. […] Der sportlich knappe Zuschnitt lässt dieses Cabrio geöffnet beinahe roadsterhafte Reize entwickeln, während es geschlossen das schönere Coupé der Marke Audi darstellt. Das Stoffdach mit der schönen Wölbung entstand mit Entwicklungshilfe von Porsche. Die Weissacher haben allen Anlass, stolz darauf zu sein, wie mühelos sich das gefütterte Verdeck auf kleinstem Raum einfalten lässt“ (Seiten 24, 25). Was für eine tolle Ergänzung der Audi-Modellpalette!
Das Datenblatt mit den Meswerten ergänzt die technische Seite dieses neuen Audi-Modells, das zunächst ausschließlich mit dem kultigen 2,3 Liter-Fünfzylindermotor angeboten wurde. Und so urteilte auto motor und sport über die Fahrleistungen: „Mit […] den messbaren Fahrleistungen kann man zufrieden sein: 11,9 Sekunden von null bis 100 km/h und eine Spitze knapp unter 200 km/h, ein Cabrio ist damit gut gerüstet. […] Obwohl das flotte Vorankommen den gelegentlichen Einsatz von niedrigen Gängen und hoher Drehzahl erfordert, bleibt der Testverbrauch auf dem wirtschaftlichen Niveau der Normwerte: Man kann mit zehn Litern pro 100 Kilometer durchaus zügig fahren, und in aller Eile müssen es nicht viel mehr als 14 Liter werden“ (Seite 27). Am Rande, an der Bewertung von Fahrleistungen und Testverbrauch zeigt sich mehr als deutlich, wie stark sich die Maßstäbe für beides in den vergangenen 30 Jahren weiterentwickelt haben.
Als weiteres Highlight empfinde ich den Vergleichstest des brandneuen Mercedes 300 SE mit BMW 735i und Jaguar XJ6 4.0 mit dem Titel „Die reformierte Oberstufe“. Mercedes hatte die neue S-Klasse der Baureihe W140 gerade eingeführt und ein erster Vergleichstest mit den beiden „Klassikern“ – der Siebener-Reihe E32 und dem Jaguar XJ40 – wurde da natürlich mit Spannung erwartet. Alle drei verfügten über Reihensechszylinder mit Hubräumen zwischen 3,2 und 4 Litern.
Wegweisend war die schiere Größe der neuen S-Klasse: „Wahrhaftige Größe offenbart der Mercedes deutlicher als dem Auge noch dem Maßband. Er überragt die beiden Wettbewerber um mindestens zehn Zentimeter in Länge, Breite und Höhe“ (Seite 30).
Die damaligen Messwerte zeigen die teils unterschiedlichen Stärken und Schwächen der drei Limousinen. „Die mit Abstand beste Kombination von Motor und Automatikgetriebe führt Mercedes mit einer aufpreispflichtigen Fünfgangautomatik vor“ (S. 36). Der BMW 735i hingegen ist zwar das betagteste Fahrzeug mit dem ältesten Motor, weist aber dennoch die besten Fahrleistungen auf. Und was sagen die Journalisten zum Jaguar? „Der Jaguar beherrscht das Fach Dynamik nicht ganz so energisch, aber die milderen Beschleunigungszeiten kümmern seinen Fahrer kaum, denn es ist das stets katzenhafte Gleiten in angenehmer Akustik bei niedriger Drehzahl, was man in diesem Auto sucht, und nicht der Biss des Raubtiers“ (S. 36). Die Testverbräuche aller Limousinen werden im damaligen Vergleich übrigens kaum kritisiert, erscheinen aus heutiger Sicht aber wie aus einer anderen Welt. Der BMW 735i erhält mit einem Testverbrauch von „nur“ 14,6 l/100km volle 20 von 20 Punkten im Verbrauchskapitel. Der Mercedes 300 SE verbraucht im Testmittel dagegen mehr als 17 Liter.
Und eine weitere historische Ankedote offenbart sich in den Messwerten in der Zeile „Zuladung“: Bei der Präsentation des W140 waren die eingetragenen Werte für das Gesamtgewicht bekanntermaßen zu gering dimensioniert. Der hier im Test vertretene, mit einigen Sonderausstattungen beladene Mercedes 300 SE wog de facto 2.148 kg und ließ eine Zuladung von nur 262 kg zu; für eine Limousine dieser Größe natürlich lachhaft wenig, mit drei Personen á 85 kg wäre die Grenze ohne jegliches Gepäckstück erreicht. Der Jaguar erlaubte mit 490 kg eine fast doppelt so große Zuladung. Dieser Makel wurde von Mercedes damals schnell korrigiert, indem schlicht höhere zulässige Gesamtgewichte nachgemeldet wurden.
Zum Ende dieses Vergleichstests kommt es, wie es kommen musste: Der brandneue Mercedes W140 gewinnt die Gesamtwertung. Im Vergleich fällt der Vorsprung des W140 zum betagten BMW E32 allerdings überraschend knapp aus (450 zu 439 Punkten). Der Jaguar XJ40 fällt in den Punktwerten etwas deutlicher ab – zu knapp ist seine Karosserie bemessen, etwas zu veraltet ist seine Technik.
Noch mit Fotomontage erfolgt in diesem Heft der Ausblick auf den Porsche 968 als Nachfolger für den 944. „Die äußerlich sichtbaren Modifikationen sind so tiefgreifend, dass die Verwandtschaft zum 944 zwar erkennbar bleibt, aber dennoch der Eindruck eines eigenständig entwickelten Modells erweckt wird. Speziell das Cabrio wirkt wie ein völlig neues Auto“ (S. 61).
Bekanntermaßen basiert auch der Motor des 968 auf dem aus dem 944 S2 bekannten Dreiliter-Vierzylinder. Die Neuerungen werden in dieser Ausgabe bereits technisch präzise und zutreffend dargestellt.
Im hinteren Teil des Heftes findet sich ein großer Vergleichstest für Kindersitze. Warum das interessant ist? Auch hier wird der Wandel der Zeit deutlich. Während heute Kinder selbstverständlich (und gesetzlich geregelt) im Kindersitz Auto fahren, lag der Fall im Jahr 1990 noch deutlich anders. Laut der in diesem Artikel zitierten Zahlen des statistischen Bundesamtes saßen Kinder im Jahr 1990 nur in 25% der Autofahrten in einem Kindersitz, in 75% reisten Kinder ganz ohne Kindersitz. (Das ist mutmaßlich einer der Gründe, warum die Anzahl der im Auto tödlich verunglückten Kinder von 1990 bis heute um rund 90% zurückgegangen ist.)
Zu guter Letzt sind auch die Kleinanzeigen in der Heftmitte bei aufmerksamer Lektüre echte Zeitzeugen. Die Angebote nur in der Rubrik „Mercedes“ nehmen 10 Seiten (!) in Anspruch, und ein Großteil der Inserate basieren auf einer Preisangabe „gegen Gebot“. Es handelt sich dabei durchweg um Bestellungen für die neue S-Klasse W140, vom 300 SE bis zum 600 SEL, sowie auch für den 500 E, die man vor Auslieferung noch übernehmen kann – „gegen Gebot“ eben.
So, das waren meine persönlichen Highlights aus der auto motor und sport vom 31.05.1991. Für mich war es eine interessante Zeitreise, die verdeutlicht, wie sehr sich die automobile Welt in den vergangenen 30 Jahren verändert hat!
Hallo Michael,
immer wieder interessant Deine Beiträge!
Wo bist Du denn in Südtirol, ich treffe morgen mit meinem 4.0 Sovereign in Oberbozen ein?
Viele Grüße
Klaus
http://Www.binxj8.com
Hallo Klaus,
vielen Dank für Deine Nachricht! Die Welt ist offenbar wirklich klein! Wir sind morgen bereits auf der Rückreise über Bayern nach Hause. Allerdings sind wir auch nicht mit dem Jaguar unterwegs (in den wir zu fünft auch gar nicht hineinpassen würden), sondern mit unserem Familienauto…
Viel Spaß in Südtirol, wir hatten sehr viel Freude dort!
Beste Grüße
Michael