Es gibt Vergleichstest in der zeitgenössischen Autopresse, die haben – ganz subjektiv – historischen Charakter. Einen Testbericht, der in diese Kategorie fällt (und an dessen Neuerscheinung ich mich auch heute noch gut erinnern kann) findet sich in der auto motor und sport vom 27. August 1993.
„Wer baut die beste Zwölfzylinder-Luxuslimousine?“ Dieser Frage wollte man nachgehen. Jaguar hatte just 1993 den neuen XJ12 auf den Markt gebracht – Basis war der etablierte Jaguar XJ40, der nun dank grundlegend überarbeitetem 6,0 Liter-V12-Motor als XJ81 neue Maßstäbe bei Jaguar setzte. Mercedes hatte gerade zwei Jahre zuvor, im Jahr 1991, die neue S-Klasse der Baureihe W140 eingeführt, die mit dem Spitzenmodell S600 ebenfalls einen 6,0 Liter-V12 bieten konnte. Zu diesem Zeitpunkt bereits kurz vor der Ablösung war hingegen der BMW 750i der Baureihe E32 mit seinem 5,0 Liter-V12, der bereits 1987 eingeführt wurde.
Lassen wir die Vergangenheit in den folgenden Zeilen nochmal aufleben und begeben uns zurück ins Jahr 1993!
Die V12-Aggregate im Vergleich
Die offensichtlichste Gemeinsamkeit dieser drei Luxuslimousinen ist wohl der V12-Antrieb. Dennoch erweisen sich die Unterschiede der Aggregate gerade im direkten Vergleich als signifikant: „Den leisesten Motor hat der BMW. Dessen V123 läuft turbinengleich, mit einem Geräuschpegel, der nahezu unabhängig ist von der Drehzahl. Der Mercedes tritt deutlich kerniger an – nicht nur, was den brachialen Schub beim Start angeht.“ In diesem Zusammenhang wird der damalige Mercedes-Motorenchef Kurt Obländer zitiert: „Wenn es unbedingt 400 PS sein müssen, kann der ja nicht ganz leise sein.“
Und der Jaguar? „Im unteren und mittleren Drehzahlbereich ist auch die Sechsliter-Version das katzenhaft leise Kraftpaket geblieben, das schon den Vorgänger so faszinierend machte. Aber hohe Drehzahlen, die der deutschen Konkurrenz locker von der Kurbelwelle gehen, mag der Jaguar-Motor nicht. … Während die anderen beiden bei weit über 200 km/h noch so gelassen bleiben, dass ein Blick auf den Tacho oftmals überrascht, lässt der Jaguar das Tempo spüren. Mehr als 220 km/h möchte man ihm eigentlich nicht zumuten – auch nicht wegen des starken Windgeräuschs.“
Es gibt aber im weiteren doch noch ein klares Lob für den neuen V12 im XJ81: „Den satten Schub des großen Hubraums aber bietet der Jaguar in feiner Form. Während der BMW Drehzahl braucht, um wirklich stark zu werden und der Mercedes sein Verbrennungsgeräusch hören lässt, schiebt der Jaguar bei Vollgas davon, als säße ihm ein gewaltiges Gebläse im Nacken – leise und unauffällig, aber mit jenem kraftvollen Nachdruck, der den Zwölfzylinder zum Erlebnis werden lässt.“
Federungs- und Fahrkomfort
Im Federungs- und Fahrkomfort gibt es nicht minder große Unterschiede: „Im Federungskomfort ist die S-Klasse die unangefochtene Nummer eins unter den Luxusautos der Welt.“ Der BMW hingegen gibt sich als „das agilere, mehr fahrerbetonte Auto, das sich leichter lenken lässt und flinker reagiert als der Mercedes, der sein hohes Gewicht nicht verbirgt.“ Im Jaguar ist der Fahreindruck „noch handlicher, sportlicher.“ Allerdings erkauft der Jaguar sich diesen Fahreindruck mit einer straffen Federung, die „meilenweit entfernt ist von der früher Jaguar-typischen Sanftheit“, und die „viel stärkere Abrollgeräusche“ als BMW oder Mercedes verursacht.
Und so ist es wohl nicht überraschend, dass der große und damals sehr moderne Mercedes S600 der Baureihe W140 das Kapitel Federungs- und Fahrkomfort für sich entscheiden kann.
Fahrleistungen und Messwerte
Für das Jahr 1993 bewegen sich die Fahrleistungen von allen drei Limousinen auf hohem Niveau. (Mal zur Erinnerung, der damalige Porsche 911 Carrera 2 der Baureihe 964 brauchte mit Tiptronic 6,6 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h, nicht weniger als der über zwei Tonnen schwere S600!)
Dem gewaltigen Mercedes S600 können die anderen beiden aber nicht ganz folgen: Aus dem Stand erreicht er die 200 km/h mehr als 6 Sekunden früher. Der Jaguar hingegen schlägt sich gut und kann liegt in den Beschleunigungswerten immerhin knapp vor dem BMW 750i.
(Bildquelle: ams 18/1993, S. 36)
Nicht mithalten kann der Jaguar XJ12 hingegen bei Verbrauch und Geräuschpegel im Innenraum: Da haben sowohl BMW als auch Mercedes die Nase deutlich vorn!
Preisvergleich
Ein Blick auf die Preise überrascht im ersten Moment: Der nicht gerade günstige Jaguar XJ12 ist das Fahrzeug mit dem niedrigsten Grundpreis in diesem Trio. Allerdings operiert er aus technischer Sicht auch auf einem etwas niedrigeren Level: Errungenschaften wie z.B. einen Beifahrer-Airbag oder eine Niveauregulierung, beides bei BMW und Mercedes serienmäßig enthalten, gibt es bei Jaguar nichtmal gegen Aufpreis.
Das Fazit
Nach Lektüre des Artikels überrascht das Fazit nicht mehr: Der Mercedes ist im Jahr 1993 faktisch und technisch die beste Luxus-Limousine der Welt. Er bietet höchste Fahrleistungen, besten Fahrkomfort und das technologisch modernste Auto. Der BMW 750i weiß auch im fortgeschrittenen Alter der Baureihe E32 als sportlich interpretierte Luxuslimousine zu überzeugen. Der neue Jaguar XJ12 hingegen ist auch im Jahr 1993 ein Fall für Überzeugungstäter, die „den noblen britischen Stil schätzen und in Kauf nehmen, dass Fahrwerk und Motor nicht ganz die Qualität der deutschen Modelle erreichen.“
All das relativiert sich im Jahr 2021 natürlich sehr. Als Liebhaber-Auto haben alle drei mittlerweile einen hohen Stellenwert gefunden, der in den kommenden Jahren weiter steigen dürfte.
All das relativiert sich im Jahr 2021 natürlich sehr. Als Liebhaber-Auto haben alle drei mittlerweile einen hohen Stellenwert gefunden, der in den kommenden Jahren weiter steigen dürfte.
Ich selbst könnte mir jeden der drei in der Garage neben meinem X308 sehr gut vorstellen. Die Qual der Wahl ist seit 1993 nicht einfacher geworden…
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