
Immer wieder erreicht mich die Frage, welche Tipps ich für den Kauf eines Youngtimers der 1990er Jahre habe. Da es tatsächlich Erfahrungswerte gibt, die aus eigener Erfahrung oder durch „Miterleben“ bei Freunden und Bekannten entstanden sind, habe ich mich entschieden, eine Youngtimer-Kaufberatung zu schreiben.
Ich habe die Kaufberatung in vier Teilen aufgebaut:
- Vor der Suche – welcher Klassiker der 90er Jahre ist der richtige für mich?
- Die Fahrzeugsuche – wie suche und finde ich meinen Traum-Youngtimer im Netz?
- Besichtigung & Probefahrt – worauf sollte ich vor Ort am Fahrzeug achten?
- Fahrzeugkauf & Übernahme – wie läuft der Kauf ab und worauf kommt es bei der Übernahme an?
Was macht Youngtimer der 90er Jahre so attraktiv?
Für mich (und vermutlich viele von Euch) sind die Autos der 1990er vor allem deswegen so interessant, weil es die Fahrzeuge unserer Jugend sind. Es sind Modelle, deren damalige Markteinführung wir intensiv miterlebt haben. Ich habe in dieser Zeit die aktuellen Autozeitschriften gelesen, Prospekte gesammelt, Messen besucht (…die IAA war damals noch richtig aufregend…) und keine Gelegenheit ausgelassen, bei Probefahrten dabei zu sein. Viele dieser Unternehmungen habe ich noch in lebhafter Erinnerung. Ich bin sicher, vielen Lesern dieser Seite geht es nicht anders.
Die Modelle der 1990er unterscheiden sich deutlich spürbar, sichtbar und erlebbar von aktuellen Autos. Wer von einem 1994er Mercedes E280 in einen 2022er Mercedes E300e umsteigt, weiß sofort, was ich meine. Die Stars der 1990er sind auf der Schwelle zum Klassiker!


Das Gros der Youngtimer aus den 1990ern befindet sich auch preislich an einem interessanten Wendepunkt: Nachdem sich die Preise vieler Modelle in den vergangenen 10 Jahren auf einem niedrigen Niveau befunden haben, steigen sie allmählich, weil diese Fahrzeuge verstärkt in den Fokus geraten. Wer Beispiele dafür sucht, kann sich die Preisentwicklung der letzten Jahre von BMW Siebener (E32), Mercedes S-Klasse (W140), VW Corrado u.v.a. anschauen. Der Grund dafür ist einfach: „Gute“ Fahrzeuge sind knapp geworden, und die Fahrzeuge dieser Dekade sind die Jugendfreuden der Generation, die heute altersmäßig zwischen Mitte 30 und Ende 40 liegt und sich damit das „Youngtimer-Hobby“ auch zunehmend finanziell leisten kann.
Last not least: Die Youngtimer der 1990er bieten ein breiteres Spektrum als vorherige Fahrzeuggenerationen. Die 90er waren bei vielen Herstellern die Zeit des großen Wachstums in der Variantenvielfalt. In dieser Zeit kamen etliche Kombivarianten, SUV, Sportwagen, Roadster und viersitzige Cabrioléts auf den Markt, die es in den 80ern nicht gab. Und das bringt uns zum 1. Teil der Youngtimer-Kaufberatung – welcher angehende Klassiker aus den 90ern ist der richtige für mich?
Youngtimer der 90er bieten mehr Auswahl als jede Speisekarte
Es ist ein bisschen wie in einem Restaurant mit einer verlockenden, aber großen Speisekarte, bei der die Auswahl schwer fällt. So steht auch bei den Youngtimern der 1990er Jahre ein großes Menü zur Wahl:
Die 90er bieten ein breites Spektrum faszinierender Luxuslimousinen mit großen Motoren und eleganter Optik. Mercedes S-Klasse, BMW Siebener, Jaguar XJ, Audi V8, oder seltenere Modelle wie VW Phaeton, Lexus LS400 oder Opel Senator. |
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Aus dieser Zeit stammen angehende Sportwagen-Klassiker wie der Porsche 968 und 964, Mercedes SL, Jaguar XK8, BMW 850i und seltenere Modelle wie Alpine A610, Honda NSX, Mazda RX-7, … |
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Die 1990er waren die Zeit kompakter Sportcoupés mit agiler Straßenlage und kernigen Motoren. Klassische Beispiele: VW Corrado, Opel Calibra, Toyota Celica, … |
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Die Dekade bietet vielfältige Luxus-Cabrioléts zum Cruisen und Genießen, je nach Wahl mit zwei oder vier Sitzen – zum Beispiel der Mercedes 300 CE-24, das Audi Cabriolet oder das BMW 3er Cabriolet. | ![]() |
Dann gibt es noch die damals weniger aufregenden, heute aber kultigen Kompaktwagen wie bspw. Audi 80 Avant, VW Vento, BMW 3er touring etc. | ![]() |
Knochige Geländewagen gab es in den 1990ern etliche – Mercedes G-Modell und Range Rover, aber auch Opel Frontera, Mitsubishi Pajero, Jeep Grand Cherokee und Toyota Landrunner gehören in diese Gruppe. | ![]() |
Mitte der 1990er Jahre kamen die ersten SUV auf den Markt: Vertreter dieser Gattung waren Modelle wie der Landrover Freelander und der Toyota RAV4. |
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Aus der 1990er-Ära gibt es etliche Italiener und Franzosen mit dem Charme des Besonderen, wie zum Beispiel Lancia Thema, Peugeot 605 oder Renault Safrane. | ![]() |
Auch bei den Amerikanern finden sich interessante Youngtimer, die Luxus, Komfort und Leistung vereinen, wie zum Beispiel Cadillac Seville STS, Lincoln Towncar oder Oldsmobile 88. | ![]() |
Diese „Speisekarte“ ist nicht vollständig, vermittelt aber einen guten Eindruck von der Vielfältigkeit im Youngtimer-Segment der 1990er Jahre.
5 Erfahrungswerte bei der Auswahl eines Youngtimer-Modells
Ich habe meine Erfahrungen bei der Modellwahl in 5 Punkten zusammengefasst.
1. Der „neue Youngtimer“ muss vor allem emotional gefallen!
Man sollte ehrlich zu sich sein: Der einzig wichtige Grund, sich ein Fahrzeug aus den 1990er Jahren zu kaufen, lautet: Weil man Freude daran hat. Alle anderen Argumente folgen unter ferner liefen. Fazit: Auf die Emotionen hören! Besser als Clark Gable kann man es nicht in Worte fassen:
I wanted it like a child wants candy!
Clark Gable 1949 über seinen Jaguar XK120
Von dieser Erkenntnis sollte die Wahl des Fahrzeugtyps geleitet sein. Das Modell der Wahl muss emotional ansprechen, sonst hat es keinen Wert. Einem Fahrzeug, das alle sachlichen Kriterien erfüllt, kann jede emotionale Spannung fehlen. Wie so oft entscheiden Kleinigkeiten über die Begeisterung: Welche Erinnerungen weckt das Modell bei mir? Spricht mich die Linie an, habe ich Freude am Tacho, am Drehzahlmesser und am Armaturenbrett? Ist es das Startgeräusch des Motors, oder wie die Tür ins Schloss fällt? Begeistern mich das Sportgetriebe oder die seltenen Karositze? Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen…

(Bildquelle: auto motor und sport 18/1993, S. 37; siehe auch dieser Beitrag)
2. Das Nutzungsprofil macht einen Unterschied
Trotz aller Emotionen ist es sinnvoll, sich im Vorfeld über das Nutzungsprofil Gedanken zu machen. Typische Fragestellungen, an denen sich Fahrzeugtypen unterscheiden können, sind zum Beispiel:
- Mit wie vielen Personen möchte ich das Auto fahren (können) – alleine, zu zweit, mit der ganzen Familie? Wer hin und wieder den Nachwuchs mitnehmen möchte, wird mit einem Mercedes SL oder Jaguar XK8 schnell an Grenzen stoßen.
- Suche ich ein Fahrzeug, das ich nach 1-2 Jahren gut wieder verkaufen könnte, oder eines, das ich für die kommenden 20 Jahre hegen und pflegen möchte? Im ersteren Falle sollte man verstärkt auf Popularität und Nachfrage im Markt achten. Ein silberner Mercedes SL verkauft sich erheblich leichter zu einem angemessen Preis als ein roter Jaguar XJS.
- Wie intensiv möchte ich das Fahrzeug nutzen – nur für gelegentliche Ausfahrten oder auch für regelmäßige Strecken? Im letzteren Falle, welche Erwartungen habe ich an die Zuverlässigkeit? Gibt es Anforderungen wie Kofferraumvolumen, Anhängerkupplung für Fahrradträger, …?
- Möchte ich das Auto für regionale Tagestouren nutzen, oder auch längere Touren bestreiten? Welche Erwartungen an Zuverlässigkeit und Wartbarkeit – auch spontan und unterwegs – ergeben sich daraus?

3. Den perfekten Fahrzeugtyp gibt es nicht (oder: Der erste Youngtimer ist nicht der letzte)
Man sollte sich von der Vorstellung verabschieden, dass man den (objektiv betrachtet) perfekten Fahrzeugtyp finden könnte. Gibt es nicht – jedes Modell hat Vorzüge und Nachteile. Ja, es gibt robustere und pflegeleichtere Modelle, und komplizierte, im Unterhalt aufwändigere Modelle. Diese Erkenntnis sollte aber nicht zur Annahme führen, dass es den perfekten Youngtimer gibt, der keine Kompromisse birgt und ohne Wartungsaufwand altert.

Die Modellauswahl relativiert sich mit dieser Erkenntnis: Der erste Youngtimer bleibt in aller Regel nicht der Letzte! So wie der Appetit beim Essen kommt, kommen viele Begehrlichkeiten erst auf, wenn der erste (oder zweite, oder dritte, …) Youngtimer mal in der eigenen Garage stand. Man darf also getrost damit rechnen, dass die erste Anschaffung nicht die letzte bleiben wird.
4. Welches Budget möchte ich mir leisten? (Der Unterhalt bestimmt die Kosten!)
Das Schöne ist: Die Vielfalt bei den Youngtimern der 1990er Jahre ist so groß, dass eigentlich für jedes Budget etwas dabei ist. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Die Unterschiede in Anschaffung und Unterhalt zwischen verschiedenen Modellen sind teilweise immens.
Während der Wahl des Fahrzeugtyps gelten die Gedanken beim Stichwort „Budget“ in der Regel den Kaufpreisen. Man kommt nach dem Kauf aber oft recht schnell zu dem Punkt, an dem die Unterhaltskosten den Kaufpreis übersteigen.
- Die Kaufpreise werden von der Nachfrage getrieben. Da gibt es erstaunliche Unterschiede, die nur emotional und mitnichten technisch erklärbar sind: So sind Sportwagen (z.B. Jaguar XK8 oder Mercedes SL) als Youngtimer oft fast doppelt so teuer wie die vergleichbare Limousine (z.B. Jaguar XJ8 oder Mercedes S-Klasse), obwohl beide neu etwa das gleiche gekostet haben. Im Einzelfall variieren die Kaufpreise mit dem Zustand und der individuellen Historie des Fahrzeugs, wobei in der Praxis mitnichten gilt „je teurer das Auto desto besser der Zustand“ (vgl. Teil 2 der Youngtimer-Kaufberatung).
- Die Kosten für Instandhaltung und Wartung werden von der Komplexität der Technik des Fahrzeugs getrieben – die Unterschiede belaufen sich auf ein Vielfaches voneinander. Ein Beispiel, das ich mehrfach miterlebt habe: Die Überholung eines Zwölfzylinders kostet erheblich mehr als die eines Sechszylinders (und ist noch dazu aufgrund der höheren Komplexität und ungünstigeren Thermik auch wahrscheinlicher). Ob es einem das wert ist, hängt auch vom persönlichen Budget und / oder Zeiteinsatz ab. Meiner Erfahrung nach sollte man für die jährlichen Wartungs- und Instandhaltungskosten je nach Modell typischerweise zwischen 500 Euro und 5.000 Euro vorsehen, je nachdem was ansteht und wer die Reparaturen ausführt. Wer einen „ehrlichen Spezialisten“ für sein Fahrzeug an der Hand hat, kann gegenüber Werkstätten, die selber das Fahrzeug erst noch kennenlernen müssen, eine Menge Zeit und Geld sparen.


Nicht zu verkennen ist auch: Der Fahrspaß korreliert bei einem Youngtimer nicht mit der Motorleistung! Wer einen bestimmten Fahrzeugtyp fahren, erleben und genießen möchte, braucht nicht unbedingt die Top-Motorisierung. Am Beispiel Jaguar XJ8: Ich habe auch nach vielen Jahren noch große Freude an meinem Jaguar Daimler V8; die Tatsache, dass es sich „nur“ um den 4-Liter-V8 ohne Kompressor handelt, stört mich dabei bis heute nicht. Im Gegenteil, der (mechanisch stark beanspruchte) Kompressor, den ich nicht habe, kann nicht kaputt gehen…
Gerade im Bereich der Youngtimer braucht es auch nicht zwingend ein Luxusauto von damals, um heute Spaß daran zu haben. Für mich ist der VW Corrado ein tolles Beispiel für einen seltenen Youngtimer-Sportwagen, der (noch) zu einigermaßen erschwinglichen Preisen zu haben ist (wenn man denn einen guten findet), und der zugleich im Wesentlichen auf Großserientechnik aufbaut!

5. Praktische Voraussetzungen im Vorfeld
Vor der Kaufentscheidung sollte man sich auch über die folgenden Aspekte Gedanken gemacht haben:
- Welche Besonderheiten in Pflege und Wartung hat mein favorisierter Fahrzeugtyp? Es ist sinnvoll, sich während der Entscheidung für einen bestimmten Fahrzeugtyp mit den Besonderheiten dieses Modells vertraut zu machen. Neben dem allgemeinen Wartungs- und Instandhaltungsaufwand eines 25 Jahre alten Fahrzeugs sollte man die spezifischen „Achilles-Fersen“ des Modells der Wahl kennen. Ich meine damit die bauartbedingten Schwachstellen, die jedes Modell hat, und die im Laufe der Jahrzehnte zu Tage treten. Eine gute Quelle hierfür sind Kaufberatungen in den Youngtimer-Fachzeitschriften, markenspezifische Internetfore (für Jaguar z.B. das deutschsprachige Jaguar-Forum) sowie modellspezifische Blogs (wie z.B. meine Kaufberatung für den Jaguar X308).
- Wer wartet und repariert meinen Youngtimer? Ebenso sinnvoll ist es, einen Fachmann an der Hand zu haben, der das ausgewählte Modell im Detail kennt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Vertragswerkstätten der Hersteller an einem 25 Jahre alten Fahrzeug oft weder übermäßig interessiert sind, noch dass die Mitarbeiter die Autos wirklich kennen würden. (Das trifft natürlich nicht auf alle Vertragswerkstätten zu, man sollte das aber kritisch hinterfragen.) Auch hier helfen die gängigen Internetforen mit Empfehlungen.
- Wo stelle ich meinen Youngtimer ab? Wer sich einen Youngtimer als Hobby leistet (und in dieses Fahrzeug im Laufe der Zeit viel Zeit und Geld investiert), sollte sich Gedanken über den Stellplatz machen. Fahrzeuge, die dauerhaft an der Straße stehen, leiden. Die Witterung hinterlässt schnell ihre Spuren. Sinnvoll ist ein trockener, gut belüfteter und sicher abgeschlossener Stellplatz. Wenn Fahrzeuge länger stehen, ist ein luftdurchlässiges Car Cover empfehlenswert, sonst finden sich die Autos nach einigen Tagen unter einer Staub-/ Pollen-/ Schmutzdecke wieder. Eine Steckdose für ein Ladeerhaltungsgerät ist ideal. Wenn das nicht gegeben ist, lässt sich die Batterie aber auch mit einem Batterieunterbrecher gut schützen.

Wer das Youngtimer-Modell seiner Wahl ausgesucht hat, findet in Teil 2 der Youngtimer-Kaufberatung Tipps dazu, wie man bei der Suche vorgehen kann.
Worauf kommt es aus Eurer Sicht bei der Wahl des „richtigen“ Youngtimers an? Ich freue mich über Eure Erfahrungen und Ergänzungen in den Kommentarfeldern!
Hallo und guten Morgen,
ich möchte mich hier generell zu Ihrem Blog äußern, der mich sehr begeistert. Es ist mir, der ich mich seit Jahren mit den Fahrzeugen der 80er/90er auseinandersetze und speziell in den vergangenen 3 Jahren intensiv wieder in die Materie eingestiegen bin mit sehr vielen ähnlich gelagerten Erfahrungen (und entsprechend umfassenden Internet-Recherchen) ein Rätsel, wieso ich erst gestern zufällig auf Ihren Blog aufmerksam wurde.
Nicht nur die schönen Fahrzeuge, von denen ich auch einige besitze, gefallen mir, besonders die bildliche Darstellung und die dazu gehörigen Texte haben mich sehr abgesprochen. Vielen Dank dafür.
Vielen herzlichen Dank für das positive Feedback, über das ich mich sehr gefreut habe!
Viele Grüße
Michael Lenders