Sie war elementares Komfort-Merkmal der gehobenen Fahrzeugklasse in den 1980er und 1990er Jahren, bevor sie vor rund 20 Jahren recht schnell verschwunden ist: Die Rede ist von der automatischen Stabantenne. Sie gehört zum klassischen Youngtimer einfach dazu und wird heute wieder zunehmend etwas besonderes im Straßenverkehr. Grund genug also, die Mechanik auch entsprechend zu pflegen. Aber wie?
Funktionsweise
Mercedes, BMW, Jaguar und viele andere Hersteller haben in den 1980er und 1990er Jahren Automatikantennen der Firma Hirschmann verbaut. Sie fahren mit Einschalten der Zündung / des Radios automatisch aus und nachher ebenso automatisch wieder ein.
Wie funktioniert die automatische Stabantenne? Das Teleskop wir durch einen verzahnten Kunststoffdraht (auch als „Seele“ bezeichnet) ausgeschoben bzw. eingezogen. Der Antrieb selbst besteht aus einem Elektromotor mit nachgeschaltetem Getriebe. Beim Steuerimpuls (durch Ein- oder Ausschalten des Autoradios) wird der Motor ca. 12 Sekunden lang mit einem auf ca. 2,6 A begrenzten Betriebsstrom versorgt. Im Motor ist wiederum eine Temperaturschutzschaltung integriert, die den Motor sowie die Elektronik schützt. Häufiges Aus- und Einfahren – z.B. wenn die Antenne zum Spielen mißbraucht wird – kann in derAntenne zu einer Temperaturerhöhung von über 85 °C führen. Die Antenne reduziert in diesem Fall den maximal möglichen Strom, bis die Temperaturschutzschaltung anspricht und nur noch der Abschaltstrom von ca. 300 mA fließt. Nach einer Erholzeit (Abkühlphase) von ca. 1 Minute ist die Antenne wieder voll funktionsfähig, d.h. sie schaltet sich selbsttätig wieder ein (Textquelle: Hirschmann Pflegeanleitung).
Hier gibt es einen Blick in den Antrieb der verzahnten Kunststoffseele, die das Teleskop bewegt:
Die Firma Hirschmann wurde seit 2004 mehrfach weiterverkauft und existiert in der damaligen Form seitdem nicht mehr. Dementsprechend sind am Markt heute praktisch keine Original-Antennen von Hirschmann mehr als Neuteile verfügbar. Man erkennt sie übrigens recht einfach am charakteristischen Logo (kleines h) auf dem Antennenkopf:
Dennoch sind die Teleskopantennen als Ersatzteil z.B. bei Mercedes oder Jaguar noch (bzw. wieder) verfügbar. Es konnten Hersteller gefunden werden, die das Teleskop in vergleichbarer Qualität fertigen.
Das nachfolgende Bild zeigt die Teleskopantenne (englisch „aerial mast“) des Jaguar X308 als Ersatzteil, wie es im Moment (Stand Anfang 2021) noch für unter 50 britische Pfund bei Jaguar Classic Parts verfügbar ist. (Ich habe mir ein Exemplar als Reserve auf Lager gelegt, bei so einem Verschleissteil weiß man ja nie…)
Pflegehinweise
Antennen ganz allgemein sind besonders rauhen Umweltbedingungen ausgesetzt. Regen und Schmutz, Sand und Eis können besonders dem Teleskop hart zusetzen. Hirschmann hat den Auto-Antennen damals Pflegetücher beigelegt und empfohlen: Erkennbare Schmutzpartikel sollten Sie von Zeit zu Zeit abwischen; stark festsitzenden Schmutz (falls vorhanden) am besten mit dem Pflegetüchlein AUTA 135. Wichtig: Das Teleskop abschließend mit einem sauberen Lappentrocken wischen, sonst könnte sich auf der zurückbleibenden Ölschicht um so schneller wieder Schmutz festsetzen.
Man liest in Foren leider immer wieder die Empfehlung, die Stabantenne mit Fett zu schmieren oder mit Öl zu ölen. Von beidem kann ich aus eigener Erfahrung nur abraten: Das Teleskop wird dadurch verunreinigt und schwergängig. Die einzelnen Stabelemente des Teleskops sind sehr fein toleriert und haben ein gut gleitendes Oberflächenmaterial.
Das wesentliche Problem ist Verschmutzung der Stabantenne – deswegen braucht sie lediglich eine Reinigung, wenn sie verschmutzt sein sollte. Was sie hingegen nicht braucht, ist eine Schmierung. Dafür sind die Toleranzen der einzelnen Antennenelemente viel zu eng. Für die Reinigung der Antenne habe ich keinen besonderen Spezialtipp. Ich selbst habe mit Glasreiniger gute Erfahrungen gemacht (mit dem ich einmal das Öl entfernt habe, mit dem ich meiner Antenne unglücklicherweise etwas gutes tun wollte). Es gibt im Internet auch durchaus noch die Möglichkeit, die Hirschmann-Pflegetücher zu beschaffen.
Austausch des Teleskops gegen ein Neuteil
Wenn das Teleskop trotz Reinigung nicht mehr vernünftig fährt oder schlichtweg verbogen oder beschädigt ist, empfiehlt sich der Austausch gegen ein Neuteil. Wie eingangs bereits dargestellt, sind die allermeisten Teleskope als Neuteile noch für überschaubares Geld verfügbar und, wie ich gleich zeigen möchte, sehr schnell und einfach zu tauschen.
Leider war die werksseitige Hirschmann-Antenne bei meinem Mercedes 300 SL-24 leicht verbogen. Sie lief zwar noch einwandfrei ein und aus, aber die Biegung störte eben doch etwas die Optik. Also war es an der Zeit, ein Neuteil vom Mercedes-Händler zu besorgen.
Bei Hirschmann offenbart der Antennenkopf eine Kennzahl, die den Typ des Teleskops beschreibt – beim Mercedes SL R129 ist es der Typ 04, wie auf dem Foto zu sehen ist; deswegen also prüfen, dass auf dem Kopf der neuen Antenne auch wieder eine 4 zu sehen ist. Je nach Kennzahl unterscheidet Hirschmann verschiedene Längen und Materialkombinationen. Bei der „04“ handelt es sich um ein 89 cm langes, komplett verchromtes Teleskop.
Der Austausch ist wirklich einfach und in 5 Minuten erledigt. Am einfachsten ist es, wenn man eine zweite Person hat, die auf Zuruf das Radio ein- bzw. ausschaltet, während man die Seele aus- bzw. einfädelt. Hier die einzelnen Schritte zum Wechsel des Antennen-Teleskops:
Nachrüsten einer Automatik-Antenne
Wer nun gerne noch mehr wissen möchte: Die Automatik-Antenne wurde von Hirschmann auch für viele Limousinen der 1980er und 1990er als Nachrüstlösung angeboten. Hier gibt es die zeitgenössische Montageanleitung für die Nachrüstung von der Firma Hirschmann (Click auf das Bild öffnet die PDF-Datei).
Ich wünsche Euch viel Spaß mit der automatischen Stabantenne!
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