Eines sei direkt zu Beginn gesagt: Dieser Beitrag handelt von einem Vergleich ohne Sieger, denn beide haben sich ihren Platz im Geschichtsbuch legendärer Luxuslimousinen bereits gesichert. Sowohl der X308 als Daimler V8 sowie der Mercedes-Benz W126 als 560 SEL dürfen sich zu den klassischsten Limousinen zählen, die die 80er und 90er Jahre hervorgebracht haben. Dennoch treten beide mit völlig unterschiedlichen Charakteren an.
Wenn hier technische Eigenschaften gehen sollte, wäre der Vergleich natürlich nicht fair, da die Produktion des 560 SEL 1991 eingestellt wurde, während der Daimler V8 erst 1997 das Licht der Welt erblickte. Darum soll es hier aber nicht gehen – für unsere Vergleichsfahrt soll die Frage im Mittelpunkt stehen, wie sich die Charaktere dieser beiden kommenden Klassiker voneinander unterscheiden. Und, selbstverständlich, soll es hier auch um schöne Bilder dieser beiden kommenden Klassiker gehen.
Vorhang auf für das Duell der Legenden!
Ohne Frage sind beide gestandene Luxuslimousinen: Mit Einstandspreisen von 127.400 DM für einen 560 SEL im Jahre 1986 und 94.160 Euro für einen Jaguar Daimler V8 LWB im Jahre 2001, sowie Längen von 5,16 bzw. 5,15 Metern (560 SEL bzw. Daimler V8 LWB) repräsentierten beide zu ihrer Zeit die absolute automobile Oberklasse.
Mehrfach wurde der Mercedes-Benz 560 SEL zum besten Auto der Welt gekürt, was dem Jaguar Daimler V8 zumindest in der deutschen Autopresse vorenthalten blieb; zu sehr war er die extravagante, designorientierte Alternative zu S-Klasse und 7er BMW. Nichtsdestotrotz strahlte auch der Daimler V8 in ähnlicher Weise wie der 560 SEL Faszination auf alle Betrachter mit auch nur minimaler Restmenge Benzin im Blut aus!
Zum Vergleich mit meinem Daimler V8 tritt hier ein ganz besonderes 560er-Exemplar an: Aus dem Jahre 1990 und bis heute gerade mal 60.000 Kilometer gelaufen, steht dieser 560 SEL aus japanischer Erstauslieferung auch im Jahre 2016 noch da wie ein Jahreswagen. Die Designlinie der beiden könnte dabei unterschiedlicher nicht sein: Stolz, aufrecht und kantig steht der 560 SEL da; flach, geduckt und bereit zum Sprung der X308. Beide verkörpern den traditionellen Stil ihrer Hersteller wie wohl kein anderer Fahrzeugtyp nach ihnen es vermag.
Leistungsmäßig müssen sich beide nicht verstecken, befinden sich unter den in beiden Fällen langgezogenen Motorhauben immerhin standesgemäße V8-Motoren mit großem Hubraum und souveräner Leistungsentfaltung.
Allerdings könnten die Charaktere der beiden V8-Aggregate unterschiedlicher kaum sein: Der 5,6 Liter des 560er ist ein V8-Motor alter Schule, gesegnet mit reichlich Hubraum, schon im Leerlauf wild fauchend, schiebt er bereits ab der Leerlaufdrehzahl kräftig an. Sein maximales Drehmoment von 430 Nm entwickelt er bei 3.750 U/min und ist dem Antrieb des Jaguar damit – trotz leicht geringerer PS-Zahl – deutlich überlegen, der erst bei 4.250 U/min sein maximales Drehmoment von (klar unterlegenen) 375 Nm bereitstellt.
Dieser Charakter des 560er-Aggregates lässt sich bereits im Leerlauf akustisch bestens erahnen:
Der seidige 4,0 Liter-V8 des Jaguars hingegen ist so laufruhig, dass er im Teillastbetrieb im Fahrzeug kaum hörbar ist, und giert bei forcierter Landstraßenfahrt nach Drehzahl: Erst oberhalb von 3.000 Umdrehungen erwacht dieser Antrieb wirklich zum Leben und dreht bei Bedarf bis fast an die 7.000.
Schon im Leerlauf ist der Charakter-Unterschied zum 560er deutlich hörbar:
Aus dem Vergleich der Motoren bleibt die Erkenntnis, dass beide standesgemäß motorisiert sind und mit ihrem V8-Antrieb perfekt für Ihre Rolle als kommende Klassiker gerüstet sind. Ehrlicherweise strahlt aber der Antrieb des 560er die größere Faszination aus: Für den Alltag würde ich zwar vielleicht den V8 des Jaguars bevorzugen, da er leiser, seidiger und geschmeidiger ist. An die Faszination des 560er-Aggregats aber kommt der Motor des Jaguars nicht heran: Kraftvoll, kernig und unverkennbar ein V8 – das macht viel Spaß.
Im Interieur gehören Leder, Wurzelnuss und eine zeitgenössische Vollausstattung bei beiden dazu. Bei den elektrischen Helfern zeigt sich, dass der X308 das um 10 Jahre jüngere Auto ist: Komfortfeatures wie Fernbedienung für die Zentralverriegelung, Sound-System, oder Radiosteuerung im Lenkrad sind dem 560er fremd. Das ist aber nicht, was den Unterschied ausmacht – hinter dem Steuer unterscheidet die beiden das völlig unterschiedliche Fahrgefühl.
Der Mercedes fährt sich solide wie eine Burg, alle Schalter wirken wie für die Ewigkeit gemacht, aber man sitzt gleichzeitig auch viel mehr drauf als drin – es bleibt immer eine Distanz zwischen Auto und Fahrer bestehen. Im Jaguar hingegen wirkt alles viel filigraner – spontaner Kommentar des 560er-Besitzers nach den ersten Kilometern am Steuer des Jaguar: „Als Mercedes-Fahrer habe ich das Gefühl, ich muss aufpassen, dass ich nichts kaputt mache, so filigran wirken Schalter und Pedale!“
Man sitzt hinter dem Steuer des Jaguar mehr drin als drauf, es ist alles eine Nummer enger und knapper, wie ein gut geschnittener Club-Sessel könnte man sagen. Wo die Knie des Fahrers im 560er frei stehen, haben sie im Jaguar eigentlich immer Berührung mit Tür und Mittelkonsole. Unterschiedlicher könnte das Fahrgefühl der beiden Limousinen kaum sein!
Der Unterschied im Zuschnitt setzt sich auch im Fond spontan erkennbar fort. Dank langem Radstand sind beide mit viel Knieraum für die hinteren Fahrgäste gesegnet, aber auch hier ist der Mercedes deutlich luftiger, wie die nachfolgenden Fotos zeigen. Das gilt ganz deutlich auch für den Kopfraum im Fond. Dafür hingegen kann der Daimler im Fond mit netten Features wie z.B. den obligatorischen Klapptischen aus Walnusswurzelholz aufwarten.
Beide Limousinen verwöhnen die Fahrgäste im Fond mit elektrischen Fensterhebern, elektrischer Sitzheizung und elektrischer Verstellung von Sitzbank und Sitzauflage. Der Daimler V8 kann noch etwas drauflegen und lässt den Fahrgast sogar die Kopfstützen im Fond elektrisch in der Höhe einstellen, und bietet ihm eine Lordosenstütze. Auch nach heutigen Maßstäben ist die Mitfahrt im Fond dieser Limousinen dadurch noch etwas besonderes!
Wenig überraschend, weil schon durch die äußere Linienführung naheliegend, ist auch das Kofferraumvolumen des 560er bescheiden formuliert „etwas luftiger“ als das im X308. Ganze 31% mehr bietet der Mercedes – was damals durchaus entscheidend gewesen sein mag, spielt für die Rolle als Klassiker aber heute nur noch eine untergeordnete Rolle…
Dasselbe dürfte auch für den Verbrauch gelten – es ist klar, dass ein großer V8-Motor in einer schweren Limousine der 80er oder 90er Jahre seinen Tribut fordert. Wer seinen Klassiker aber nicht mehr als Vielfahrerauto einsetzt, sondern um Spaß daran zu haben, dürfte die Verbrauchswerte der beiden verschmerzen können.
Am Ende dieses Vergleiches bleiben damit drei Feststellungen:
- Beide Limousinen haben durch ihre klassische Linienführung, ihre feudale Innenausstattung und den faszinierenden V8-Antrieb wie wenige andere die genetische Veranlagung zum echten Klassiker.
- Es überrascht, wie unterschiedlich die beiden sind – bei der Vergleichsfahrt haben wir das Bild einer „grazilen Raubkatze“ (Jaguar) und eines „feurigen Araber-Hengstes“ (560 SEL) geprägt.
- Über Geschmack lässt sich eben doch vortrefflich streiten!
Mit diesem Fazit und nach einer derart kräfteraubenden Vergleichsfahrt ist es höchste Zeit für ein Abendessen zur Stärkung – natürlich mit ungehindertem Blick auf den Parkplatz…
…..sehr schöne Seite… macht richtig Freude sich hier umzusehen und über diese wundervollen Fahrzeuge zu lesen…
Vielen Dank, das freut mich sehr!
Beeindruckender Motorengeräuschvergleich!